Der neue Markenschutz von Slogans nach der Entscheidung "Vorsprung durch Technik"

1. Problem

Die Eintragung von Werbeslogans als Marke war in Deutschland und in der gesamten EU bis in die jüngere Vergangenheit nicht einfach, scheiterten doch zahlreiche Versuche einer Registrierung an der Zurückhaltung der zuständigen Markenämter. Diese beriefen sich zumeist darauf, ein Slogan funktioniere nicht wie eine Marke. Vereinfacht gesprochen ist eine Marke nichts weiter als ein Hinweis darauf, aus welchem Unternehmen das Produkt, auf dem die Marke angebracht ist stammt. Einem Slogan wird diese Hinweisfunktion regelmäßig abgesprochen - im Amtsdeutsch nennt man dies "mangelnde Unterscheidungskraft".

Maßstab für die Feststellung von Unterscheidungskraft ist die so genannte Verkehrsauffassung.[2] Das bedeutet: Die Wahrnehmung derjenigen Zielgruppe, für die das jeweilige Produkt gedacht ist, und die es regelmäßig verwendet entscheidet darüber, ob ein Slogan als Hinweis auf die Herkunft von Waren aufgefasst wird oder eben nicht.[3] Diese Wahrnehmung wird von zahlreichen Umständen beeinflusst. Ein solcher Umstand ist beispielsweise, ob die wichtigen Abnehmerkreise daran gewöhnt sind, bestimmte Zeichen als Hinweis auf die Produktherkunft zu erkennen. Sind sie es nicht, kann das fragliche Zeichen nicht als Marke geschützt werden. Genau dies haben Behörden und Gerichte bisher häufig für Slogans angenommen. Slogans seien dazu bestimmt, die jeweiligen Produkte in werbewirksamer Weise anzupreisen. Sie würden regelmäßig als Beschreibung und nicht als Herkunftshinweis angesehen.[4]


2. Die Entscheidung "Vorsprung durch Technik"

Anfang 2010 traf der für die Auslegung von Unionsrecht - welches auch für das Markenrecht die Grundlage liefert - zuständige Gerichtshof der Europäischen Union ("EuGH") nun eine Entscheidung, die Bewegung in diese statische Haltung brachte. Nachdem die Anmeldung der Gemeinschaftswortmarke "Vorsprung durch Technik" vom für die Eintragung von Gemeinschaftsmarken zuständigen Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt ("HABM") zurückgewiesen und die Zurückweisung durch das zuständige Gericht bestätigt worden war, sah der EuGH diesen Slogan als unterscheidungskräftig und eintragungsfähig an und hob die vorangegangenen Entscheidungen auf.

In seiner Entscheidung hat der EuGH klargestellt, dass die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrskreise einen Slogan auch oder sogar vornehmlich als Werbeaussage begreifen auf die Unterscheidungskraft keinen Einfluss hat.[5] Ein Slogan kann demnach gleichzeitig als Werbebotschaft und als Hinweis auf die betriebliche Herkunft der fraglichen Waren oder Dienstleistungen verstanden werden. Solange ein Slogan nicht ausschließlich beschreibend ist, kann ihm Unterscheidungskraft jedenfalls nicht nur unter Berufung darauf, dass er die Funktion einer Werbeaussage erfüllt, abgesprochen werden.[6]

Nach Auffassung des Gerichtshofs liegen insbesondere in den folgenden Faktoren Umstände, die als Argumente für die Unterscheidungskraft eines Slogans herangezogen werden können:


Checkliste: Argumente für die rechtliche Unterscheidungskraft eines Slogans

a) Mehrdeutigkeit:
Der Slogan besitzt mehrere Bedeutungen, beinhaltet ein Wortspiel, ist phantasievoll, überraschend und unerwartet und damit leicht merkfähig[7|;
b) Originalität:
Der Slogan weist eine gewisse Originalität und Prägnanz auf, die ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert oder bei den beteiligten Verkehrskreisen einen Denkprozess auslöst[8];
c) Berühmtheit:
Der Slogan besitzt durch jahrelange intensive Verwendung eine gewisse Berühmtheit, so dass sich die beteiligten Verkehrskreise daran gewöhnt haben, ihn als Hinweis auf die Produkte eines bestimmten Unternehmens wahrzunehmen.[9]

Für den Slogan "Vorsprung durch Technik" hat der EuGH das Vorliegen aller drei Faktoren bejaht und die Eintragungsfähigkeit als originär unterscheidungskräftiges Kennzeichen bestätigt.


3. Ausblick

Auch ein Jahr nach der Entscheidung des EuGH lassen sich deren Auswirkungen noch nicht vollständig absehen. Die Zeiten, in denen Anmeldungen für Slogans nahezu automatisch zurückgewiesen wurden, dürften jedoch vorüber sein.

Die Bedeutung der Entscheidung liegt darin, dass in Zukunft eine am Einzelfall orientierte Prüfung zu erfolgen hat und jeder angemeldete Slogan daraufhin zu prüfen sein wird, ob er ein oder mehrere der oben genannten Merkmale aufweist.[10] In diesem Zusammenhang bietet wohl insbesondere der vom EuGH aufgezeigte Weg, durch die intensive werbliche Verwendung eines Slogans einen Wiedererkennungswert und damit originäre Unterscheidungskraft herzustellen einen reizvollen, wenn auch kostspieligen Ansatz. Möglicherweise wird der EuGH zukünftige Entscheidungen zum Anlass nehmen, einige Punkte nochmals klarzustellen, welche präzisen Anforderungen an die Verwendung eines Slogans und die daran anknüpfende Verkehrsgewöhnung zu stellen sind.


1. Der Autor ist Rechtsanwalt im Münchener Büro der Kanzlei Jones Day. Die in diesem Artikel wiedergegebenen Stellungnahmen sind die persönliche Meinung des Verfassers und spiegeln nicht notwendigerweise den Standpunkt der Kanzlei wider.
2. St. Rspr.: EuGH NJW 2004, 354 Tz. 45 - Libertel; GRUR 2004, 946 Tz. 23 - Nichols; GRUR-RR 2008, 303 Tz. 35 - Rot-weiße rechteckige Tablette mit einem blauen ovalen Kern.
3. BGH GRUR 2006, 763 Tz. 13 - Seifenspender.
4. EuGH GRUR Int. 2005, 224 Tz. 34 - Das Prinzip der Bequemlichkeit.
5. EuGH GRUR Int. 2010, 225 Tz. 45 - Vorsprung durch Technik.
6. EuGH GRUR Int. 2010, 225 Tz. 40 f. - Vorsprung durch Technik.
7. EuGH GRUR Int. 2010, 225 Tz. 47 - Vorsprung durch Technik.
8. EuGH GRUR Int. 2010, 225 Tz. 57 - Vorsprung durch Technik.
9. EuGH GRUR Int. 2010, 225 Tz. 59 - Vorsprung durch Technik.
10. Damit liegt der EuGH deutlich näher am bisherigen Ansatz des BGH, s. GRUR 2000, 321 - Radio von hier; GRUR 2000, 323 - Partner with the best; GRUR 2002, 1070 - Bar jeder Vernunft.
Dr. Ulrich Mehler
Dr. Ulrich Mehler LLM, ist Rechtsanwalt im Münchener Büro der internationalen Kanzlei Jones Day. Er berät zahlreiche namhafte Mandanten im Bereich des Gewerblichen Rechtsschutzes.
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