Wann sind Übertreibungen in Werbeslogans zulässig?

Die Werbung mit Superlativen, die so genannte Alleinstellungs- oder Spitzenstellungswerbung, ist in der Praxis sehr beliebt. Insbesondere der Slogan eines Unternehmens bietet sich an, um durch eine besondere Herausstellung die Aufmerksamkeit der Verbraucher zu wecken. Der hiermit erzielbare Marketing-Vorteil ist groß; ebenso häufig sind daher auch die Rechtsstreitigkeiten, in denen Mitbewerber einen solchen Slogan eines Konkurrenten angreifen. So hat beispielsweise AOL gegen T-Online wegen der Verwendung des Slogans "Europas größter Onlinedienst" geklagt - und im Anschluss auch vor dem Bundesgerichtshof Recht bekommen (Az.: I ZR 284/01).


1. Spitzenstellungsbehauptung: Die Grundlagen

Eine Spitzenstellungswerbung liegt immer dann vor, wenn der Werbende für sich allein eine Spitzenstellung auf dem Markt in Anspruch nimmt. Typisches Ausdrucksmittel hierfür ist der Superlativ, z.B. "Der Beste", "Der Größte" oder "Der Meistverkaufte".

Enthält eine solche Spitzenstellungsbehauptung inhaltlich nachprüfbare Aussagen über geschäftliche Verhältnisse, so besteht die Gefahr einer Irreführung der Verbraucher. Eine solche Werbebehauptung muss daher drei Voraussetzungen erfüllen:

- Sie muss wahr sein,
- der Werbende muss einen deutlichen Vorsprung gegenüber seinen
  Mitbewerbern vorweisen können, und
- der Vorsprung muss die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit bieten.

Ausnahmen bestehen nur für solche Slogans, die der Verbraucher lediglich als reklamehafte Übertreibung und reine Werturteile ansieht, nicht aber als inhaltlich objektiv nachprüfbare Aussage.

Rechtlich liegt die Schwierigkeit darin, dass bei einer nachprüfbaren Aussage, sofern keine weitere Konkretisierung in der Werbung beigefügt ist, das beworbene Produkt in jeder Hinsicht (!) einen deutlichen, dauerhaften Vorsprung vor Produkten der Mitbewerber aufweisen muss. Maßgeblich ist hierbei die Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise. Je nachdem, welche Faktoren man in diese Prüfung mit einbezieht, gelangt man oft zu unterschiedlichen Auffassungen über die Zulässigkeit eines Slogans. So mag eine Spitzenstellungsbehauptung wie "der Größte" hinsichtlich der Zahl der eigenen Kunden zutreffen, gleichzeitig aber hinsichtlich der Häufigkeit und des Umfangs der Nutzung der Dienstleistungen oder der Präsenz des Unternehmens in bestimmten Gebieten oder Ländern nicht mehr zutreffen und daher irreführend sein - so z.B. im Fall des T-Online-Slogans (dazu unten).

2. Reklamehafte Übertreibung oder Spitzenstellungsbehauptung?

Vorteilhafter ist daher, wenn ein Slogan lediglich als reklamehafte Übertreibung angesehen werden kann, die sich einer tatsächlichen Nachprüfung nicht stellen muss. Wann ist dies der Fall? Hierzu ein Beispiel:

Gegen den Kellogg's-Slogan "Kellogg's - Das Beste jeden Morgen" klagte ein Mitbewerber, da der Slogan eine unrichtige Behauptung einer Alleinstellung enthalte. Der Verzehr der Produkte der Beklagten, die extrem gezuckert seien, stelle keine bessere oder gesündere Ernährung dar als ein übliches Frühstück. Der Fall ging durch alle gerichtlichen Instanzen, der Bundesgerichtshof folgte dieser Auffassung letztlich nicht. Er war der Auffassung, die Behauptung von Kellogg's, "das Beste jeden Morgen" zu bieten, entzöge sich weitgehend einer objektiven Nachprüfbarkeit. Sie hänge in erster Linie von den persönlichen geschmacklichen Vorlieben und Frühstücksgewohnheiten des Einzelnen, aber auch von der unterschiedlichen körperlichen Konstitution der Menschen und ihren Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen ab. Welche Mahlzeit sich am besten als Erste des Tages eigne, lasse sich daher nicht objektiv und generell feststellen. Auch wenn man vom Wortsinn des Slogans ausgehe, bleibe offen, worauf sich der Superlativ "Das Beste" beziehe - nur auf Frühstücks-Cerealien, generell auf Frühstücksprodukte oder - noch allgemeiner - auf das beste Ereignis am Morgen? Für die Beantwortung der Frage, was "das Beste" jeden Morgen sei, spielten daher subjektive Einschätzungen und Wertungen eine entscheidende Rolle. Diese entzögen sich einer objektiven Nachprüfbarkeit, so dass der Slogan lediglich eine reklamehafte Übertreibung und damit zulässig sei.

Mit anderen Worten: Je klarer und objektiv nachprüfbarer die Aussage eines Slogans ist, desto wahrscheinlicher wird er die drei Voraussetzungen - Wahrheit und ein stetiger, deutlicher Vorsprung - erfüllen müssen. Dies gilt insbesondere bei Angaben zur Größe oder zum Umsatz eines Unternehmens, die von den Verbrauchern regelmäßig als Tatsachenangabe verstanden werden. Es ist daher beispielsweise irreführend, sich als "Der Größte deutsche Spielwarenhersteller" zu bezeichnen, wenn eine Marktführerschaft nur für Plastikspielfiguren, nicht aber für das ganze Spielwarensortiment gegeben ist. Ernst genommen werden regelmäßig auch Angaben zur Preisgestaltung: Der Slogan "E-Sixt.günstixt" war nach Auffassung des OLG Hamburg nicht nur als Übertreibung anzusehen, sondern enthielt auch die Angabe, das das Angebot von E-Sixt insgesamt gesehen im Durchschnitt das Günstigste sei, was im Prozess nicht bewiesen wurde. E-Sixt hat den Slogan aktuell in "E-Sixt - Günstig!" entschärft.

3. Wann ist die Spitzenstellungsbehauptung zulässig?

Wann ein "deutlicher, stetiger Vorsprung" vorliegt, wird von den Gerichten jeweils im Einzelfall entschieden. Bejaht wurde dies für die Angabe "Der Meistverkaufte Europas" beispielsweise bei einem Marktanteil von 48% gegenüber einem Marktanteil des nächsten Konkurrenten von 39%. Dieser Vorsprung von knapp 10% bestand durchgehend in den letzten vier Jahren mehr oder weniger unverändert. Dies reichte nach Auffassung des Bundesgerichtshofs für einen stetigen Vorsprung aus, der auch in Zukunft die Aussicht auf eine gewisse Stetigkeit biete.

Dennoch ist auch bei einer solchen Marktlage mit Fallstricken zu rechnen: Je nachdem, auf welches Gebiet man die Aussage beziehen will, kann man zu unterschiedlichen Einschätzungen gelangen. So warb in diesem Fall beispielsweise Philishave im Jahr 1994 mit dem Slogan "Philishave - die meistverkaufte Rasierermarke Europas". Ein Konkurrent klagte gegen den Slogan mit der Begründung, dieser sei irreführend, da eine Spitzenstellung nur insgesamt in Europa, nicht aber gleichzeitig auch innerhalb Deutschlands vorlag. Dies würde der Verbraucher bei einer solchen Behauptung aber ebenfalls vermuten. Die Klage wurde nach mehrjährigem Rechtstreit vom Bundesgerichtshof schließlich abgewiesen, da das Gericht der Auffassung war, der Verbraucher werde eine Schlussfolgerung zur Marktführerschaft in Deutschland nicht ziehen. Bemerkenswert ist, dass der Bundesgerichtshof 23 Jahre zuvor, im Jahr 1971, den damaligen Slogan "Philishave - die meistverkaufte Elektro-Rasierermarke der Welt" mit eben dieser Begründung für unzulässig erklärt hatte. Dies zeigt, dass das letztlich entscheidende Verständnis der Verbraucher von Gerichten unterschiedlich beurteilt werden kann und sich im Laufe der Zeit auch ändern kann.

Im Fall des T-Online-Slogans "Europas größter Onlinedienst" entschied dagegen der BGH, dass ein durchschnittlich verständiger Verbraucher die Werbeaussage nicht nur auf die Zahl der Kunden beziehe. Vielmehr nehme er an, dass der Dienst auch am häufigsten und am umfangreichsten genutzt werde. Bereits dies treffe nicht zu. Darüber hinaus erwecke der Slogan auch den Eindruck einer entsprechenden Präsenz in europäischen Ländern, was ebenfalls nicht der Fall sei, da der Onlinedienst unter anderem in Großbritannien und in Skandinavien nicht vertreten sei. Da die so verstandenen Aussagen unrichtig seien, seien sie irreführend im Sinne des § 3 UWG.


Praktischer Tipp:
Prüfen Sie Slogans mit Spitzenstellungsbehauptungen besonders sorgfältig. Bei Unklarheiten kann es sinnvoll sein, zusätzlich zu dem Slogan eine kurze Klarstellung oder Erläuterung in der Werbung zu verwenden, um Missverständnisse der angesprochenen Verkehrskreise zu vermeiden.
Dr. Christian Paul
Dr. Christian Paul ist Rechtsanwalt in einer führenden internationalen Kanzlei in München.
© Slogans.de 30.06.2008 Alle Rechte vorbehalten

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